Staatsempfang beim Bundespräsidenten

18. Oktober 2021
Berlin, Deutschland

Guten Abend zusammen,

(Satz auf Inuktitut wird von Ihrer Exzellenz hier eingefügt). Das ist ein Satz in meiner Muttersprache, Inuktitut. Er bedeutet: „Ich freue mich sehr, mit Freunden hier in Deutschland zu sein.“

Ich wuchs in Nunavik, im Norden von Quebec auf. Meine Eltern und meine Großmutter brachten mir und meinen Geschwistern die Traditionen unseres Volkes, der Inuit, bei. Das Angeln, die Jagd und das Sammeln von Nahrung zählten zu den häufigen Aktivitäten. Wir lernten im Sommer Boot und Kanu und im Winter Hundeschlitten zu fahren. Wissbegierig hörte ich mir unsere Legenden an und sprach nur Inuktitut, unsere Inuit-Sprache.

Mein Leben lang habe ich mich dafür eingesetzt, die Lebensbedingungen der Inuit und aller indigenen Völker zu verbessern. Darüber hinaus erweiterte ich von 1994 bis 2003 als Botschafterin für Arktische Angelegenheiten meinen globalen Horizont. Parallel dazu war ich von 1999 bis 2001 als Botschafterin von Kanada in Dänemark tätig. Erst vor drei Monaten wurde ich als erste indigene Person zur Generalgouverneurin von Kanada ernannt. Und nun befinde ich mich, wie bereits erwähnt, unter Freunden, auf meiner allerersten Auslandsreise als Generalgouverneurin.

Ich freue mich, in Deutschland zu sein, um die Beziehungen zwischen unseren Ländern zu bekräftigen. Mein Ehegatte, Whit, sowie die Mitglieder unserer Delegation schließen sich meinem Dank für Ihren herzlichen Empfang an. Herr Bundespräsident Steinmeier, vielen Dank für Ihre Einladung.

Kanada und Deutschland sind seit langem Freunde und Verbündete, die gemeinsame Werte und starke persönliche Bindungen haben. Diese persönlichen Bindungen werden durch die mehr als drei Millionen Kanadier deutscher Abstammung weiter verstärkt.

Als gleichgesinnte Demokratien arbeiten wir auch im Rahmen der G7, der G20, der NATO und der UNO zusammen. Außerdem kooperieren wir bei der Bewältigung wichtiger globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Eindämmung der Pandemie sowie der Bedrohung der Menschenrechte.

Darüber hinaus haben unsere Länder tiefen Respekt vor unseren jeweiligen kulturellen Errungenschaften.

In Kanada ist die Kultur so vielfältig wie die Menschen. Dies ist eine unserer Stärken als Nation. Aber Inklusion und Gleichberechtigung sind Dinge, auf die wir immer hinarbeiten müssen und die wir niemals als selbstverständlich erachten dürfen.

In der jüngsten Vergangenheit haben die Kanadier*innen ihre Aufmerksamkeit auf die Bedeutung und die Notwendigkeit der Versöhnung gerichtet und sich der bitteren Wahrheit über die Behandlung der indigenen Bevölkerung gestellt. Diese Wahrheit kann schmerzen, aber wir sind stärker, wenn wir uns gemeinsam mit ihr auseinandersetzen. Es gibt keine Frist für die Wiedergutmachung, für die Wiedergutmachung von begangenem Unrecht. Es erfordert Verständnis, Mitgefühl, Zuhören, Geduld, Engagement und ständige Arbeit, aber am Ende können wir die Fehler der Vergangenheit mit der Hoffnung der Zukunft versöhnen.

Ich hoffe, im Rahmen dieses Staatsbesuchs die Integration und die Vielfalt fördern zu können, damit wir alle voneinander lernen und eine bessere Verständigung erreichen.

In diesem Sinne freue ich mich darauf, an der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse teilzunehmen, auf der Kanada eine große Vielfalt an unterschiedlichen Stimmen, Ideen und Büchern präsentieren wird. Unser Land ist stolz und dankbar, dieses Jahr Ehrengast zu sein, zumal Deutschland ein Land mit einer so reichen literarischen Tradition ist.

Neben der Buchmesse freue ich mich auch darauf, wichtige deutsche Kultureinrichtungen zu besuchen, beispielsweise das Humboldt Forum und das Jüdische Museum in Berlin sowie das Archäologische Museum Frankfurt.

Zum Schluss möchte ich die Beiträge und die Führungsqualitäten von Bundeskanzlerin Merkel würdigen, die maßgeblich zu unseren gemeinsamen Erfolgen und unserer Zusammenarbeit beigetragen hat. Während sie sich auf ihren Rückzug aus dem öffentlichen Leben vorbereitet, zollen wir ihr unseren Dank und unsere Anerkennung für ihr Engagement und für alles, was sie auf nationaler und internationaler Ebene geleistet hat.

Ich freue mich sehr auf alle Aktivitäten und Erlebnisse der nächsten Tage in Ihrem Land, auf die Menschen, die ich treffen werde, und auf die neuen Verbindungen, die wir zum Nutzen unserer beiden Gesellschaften knüpfen werden. Ich danke Ihnen nochmals für Ihre Gastfreundschaft.

Und nun möchte ich einen Toast aussprechen: auf die dauerhafte Freundschaft zwischen Kanada und Deutschland!